Bin ich als Mutter genügend Frau?

Vor ein paar Wochen habe ich ein Buch von Gerald Hüther (dem Neurobiologen) und Wolfgang Bergmann (Familientherapeut) gelesen, ein sehr spannendes Buch über Computersucht, doch eine Zeile hat mich besonders angesprochen und nachdenklich gemacht. Und zwar schreiben die Autoren: „Diese Mutter war viel zu wenig „Frau“ und viel zu sehr nur Mutter gewesen. (…) Das tat ihr nicht gut. Und ihrem Jungen tat es auch nicht gut.“

Wie kann ich zu sehr nur Mutter sein?

Bumm – der Satz sitzt. Geht das überhaupt, dass ich so sehr Mutter bin, dass es schlecht ist fürs Kind? Was meinen die beiden Autoren damit?

Es gibt Mütter (aber auch Väter – daher schreibe ich jetzt über Eltern), die in ständiger Überwachung über ihrem Kind kreisen und nur darauf warten, ihnen beim kleinsten Problem oder Konflikt zu helfen. Das Kind wird mit dem Auto direkt vor die Schule gebracht, Eltern legen sich mit dem Lehrer an, um dem Kind einen guten Schulabschluss zu sichern. Bei einem Streit mit dem besten Freund, mischen sich die Eltern ein und ergreifen Partei für ihr Kind. Durch die engmaschige Überwachung mischen sich Eltern in die Hausaufgaben, das soziale Leben und die Berufswahl ein. Überbehütende Eltern sind liebende und engagierte Eltern, die nur das Beste für ihr Kind wollen. Dieses Beste wird oft fehlinterpretiert: aus dem Besten wird oft zu viel – zu viel an Behütung, zu viel an materiellen Geschenken, zu viel an Kontrolle, zu viel an Einengung, … Durch dieses ZU VIEL an Behütung und ihre vorschnelle Einmischung verhindern Eltern, dass ihre Kinder aus Fehlern lernen und lassen nicht zu, dass die Kinder Eigenmotivation entwickeln und selbstständig werden.

Das also meinen die Autoren mit „zu viel Mutter“ sein.  Und was bedeutet dann das „zu wenig Frau“ sein? Wenn ich vor lauter Angst und Sorge um meine Kinder, mich selbst vergesse. Jede von uns kennt das, dass wir immer zuerst den Kindern ein neues Gewand, neue Schuhe, … kaufen. Bis wir uns selbst etwas kaufen, können Jahre vergehen – ist ja nicht so notwendig. Als Mutter investiere ich eher in meine Kinder als dass ich mir etwas gönne. Und dieser Gedanke zieht sich oft im Leben von uns Müttern durch: zuerst das Kind, dann ich. Zuerst noch schnell das Kind abholen, zuerst noch schnell die Hausübung kontrollieren, zuerst noch schnell die Jausenbox aus der Schultasche räumen, zuerst noch schnell die Spielsachen im Wohnzimmer wegräumen, zuerst noch schnell die Schwimmsachen für den nächsten Tag herrichten, zuerst noch schnell…. Und plötzlich ist der Tag zu Ende und ich falle müde ins Bett, der Kaffee steht kalt am Tisch und das Buch ungeöffnet daneben … eben, weil zuerst immer etwas Anderes wichtiger war. Aber muss ich wirklich als Mama die Jausenbox aus der Schultasche räumen? Muss ich wirklich die Spielsachen für meine Kinder wegräumen? Muss ich wirklich mein Kind von der Schule abholen (auch wenn es den Schulweg ganz leicht alleine meistern würde?)? Oder darf ich als Mama auch Dinge an meine Kinder delegieren, sie darin bestärken, dass sie es selbst schaffen und sie dazu anleiten, gewisse Aufgaben zu übernehmen. Und dann trinke ich meinen warmen Kaffee und lese ein Kapitel in meinem Buch oder überlege mir, was ich gerne machen würde, was mir Spaß und Freude macht. Vielleicht gibt es ein Hobby, dem ich nachgehen möchte, ich es aber durch die Geburt meines Kindes auf Eis gelegt habe?

Warum ist es also als Mutter wichtig, nicht aufs Frau-Sein, auf mich selbst zu vergessen?

Denn wenn ich hin und wieder auch auf mich schaue, bekommen meine Kinder automatisch ein wenig Freiraum, in dem sie ihre eigenen Erfahrungen machen können. Durch diesen Freiraum können sie sich selbstständig entwickeln, lernen sie Entscheidungen zu treffen, Verantwortung zu übernehmen und aus ihren Fehlern zu lernen. Wenn ich hin und wieder auf mich selbst schaue, beuge ich dem vor, dass ich zur Glucke werden, dass ich meine Kinder mit meiner Überbehütung einenge und lasse los, damit sie sich entfalten können. Wenn ich also nicht nur auf meine Kinder schaue, sondern auch auf mich, tue ich damit nicht nur mir selbst etwas Gutes, sondern auch meinem Kind – es kann wachsen und sich entfalten und groß werden.