Wut tut gut

„Worüber ist dein nächster Vortrag“, fragt mich meine Älteste? „Über Wut!“ „O, da bist Du ja die Richtige“, grinst sie mich an. Also ja, ich bin sehr temperamentvoll und kann mich auch gut ärgern. So richtig – manchmal steigere ich mich in meine Wut so sehr hinein, dass ich dann nicht aus meiner Haut heraus kann und nur noch zornig schmolle. Gleichzeitig merke ich, dass so eine ungesteuerte Wut mir nicht gut tut – daher versuche ich die Wut in mir zu zügeln beziehungsweise meine Wut in Bewegung & Aktivität umzuleiten oder die Kraft in mir zu nutzen, um etwas voranzutreiben. Unordnung z.B. kann mich richtig wütend machen: ich könnte natürlich herumbrüllen und mich furchtbar aufregen oder einfach die Wut dazu verwenden gleich einen Generalputz und eine Entrümpelung zu starten.

Wichtig ist, dass der Ärger, die Wut sich nicht gegen andere Menschen ausrichtet und dass ich meine Wut nicht hinunterschlucke, sondern auch ganz konkret formuliere, was mich wütend macht. So ist es bei mir … ich bin Erwachsen. Wie geht es denn meinem Kind, mit dieser unendlich großen Kraft? Darf sich mein Kind über etwas ärgern oder versuche ich es zu beschwichtigen mit den Worten „Ach komm, ist doch nicht so schlimm“. Ist es das? Woher will ich denn wissen, wie schlimm etwas ist? Lasse ich den Ärger meines Kindes zu und begleite es in seinem Ärger? Oder habe ich selbst Angst vor Aggressionen und aggressiven Gefühlsausbrüchen, fühle mich hilflos und möchte diese am liebsten verbieten.

In unserer heutigen Zeit gibt es ein kleines Problem: wir verbieten oft Aggressionen und aggressive Gefühlsausbrüche – es ist schon fast ein Tabu. Wir denken, dadurch könnten wir Gewalt vorbeugen – nur in wirklich nähren wir das gewalttätige und selbstdestruktive Verhalten. Eine Beobachtung von mir, die mich immer wieder schmunzeln lässt: Meine Burschen raufen oft, verkleiden sich als Ritter und kämpfen miteinander. Es gibt zwei einfache Regeln für ihre Kämpfe: 1. der Andere muss auch bewaffnet sein und 2. es gibt ein vorher ausgemachtes Time-Out. Sie spielen aber auch oft mit Playmobil-Rittern, bauen aus Lego Waffen und sogar beim Zeichnen geht es um einen Kampf: grün(e Farbe) gegen blau(e). Natürlich könnte ich das als Mutter unterdrücken und verbieten –  aber warum? Sie lassen ihrer Aggression freien Lauf (ohne dass sie jemanden verletzen), sind ausgeglichener und lernen auch ihren Körper besser wahrnehmen.

Gleichzeitig lernen meine Burschen von mir, zu sagen, wenn sie etwas stört, ihrem Ärger auch mit Worten Ausdruck zu verleihen und sich zu entschuldigen, wenn etwas schief gelaufen ist. Dabei merke ich ganz oft, dass ich bzw. mein Mann ihr Vorbild sind, und sie oft unsere Reaktionen nachmachen. Daher ist es für mich ganz wichtig, meinen Kindern ein Vorbild im Ärgern und Wütend-Sein zu sein. Das geht aber nur, wenn ich auch gelernt habe, mit meiner Wut umzugehen.

Mehr zu diesem Thema (unter anderem auch die Hintergründe, warum ein Kind aggressiv reagiert) erfährst Du in meinem Vortrag „Wut tut gut“.